5 Marketing Mythen, die einfach nicht sterben wollen.
Es gibt zig Marketingmythen, die zwar widerlegt aber gebetsmühlenartig wiederholt werden. Leider werden sie dadurch kein Stück wahrer. Hier 5 Mythen die sich besonders hartnäckig halten.
Im Marketing zu arbeiten ist toll. Ständig ist alles in Bewegung und kein Tag gleicht dem anderen. Ständig kommen neue Dinge hinzu, nicht nur neue Möglichkeiten. Auch neue Erkenntnisse. Und dennoch gibt es einige Themen, die mich regelmäßig verzweifeln lassen. Dazu gehören einige Marketingmythen, die zwar auf die ein oder andere Art und Weise schon zigfach widerlegt wurden, aber dennoch einfach nicht sterben wollen. Sie werden gebetsmühlenartig wiederholt, dadurch aber kein Stück wahrer. Hier sind meine Top-5 Mythen, von denen ich mir wünschte, man müsse nichts mehr dazu sagen.
Mythos 1: „Kundenloyalisierung treibt maßgeblich das Wachstum.“
Die Grundlage dieses Mythos‘ stammt aus dem Buch ‚The Loyalty Effect‘. Hier ist zu lesen, dass Firmen ihren Profit um 100 Prozent steigern können, wenn sie nur fünf Prozent mehr ihres Kundenstammes an sich binden. Klingt verlockend. Doch leider beruhen die Berechnungen weitestgehend auf Annahmen. Die Autoren selbst sprechen von einem Gedankenexperiment. Und dass dieses Gedankenexperiment nicht stimmt, wissen wir spätestens seit den Analysen des renommierten Ehrenberg-Bass Instituts, basierend auf harten Nielsen-Zahlen. ‚How Brands Grow‘ ist das Stichwort. Die relevante Kernerkenntnis besagt: Wenn es um Wachstum geht, ergibt es mehr Sinn, alle Kategorie-Verwender anzusprechen, da das wirkliche Wachstumspotenzial in den Light Usern liegt. Denn diese Gruppe ist im Regelfall so groß, dass es sinnvoller ist, einen kleinen Teil der Light User dazu zu bewegen, eine Marke zu kaufen als einen großen Teil der wenigen Heavy User zu loyalisieren.
Mythos 2: „Menschen kaufen nicht, was du tust, sondern warum du es tust.“
Simon Sineks Golden Circle ist Fluch und Segen zugleich: Geteilte Überzeugungen, Antrieb und damit Sinnstiftung seien für die Beziehung zwischen einer Arbeitgebermarke und ihren Mitarbeitern elementar. So ist es dort zu lesen. Für die Beziehung zwischen Marke und Konsument stimmt das aber nur bedingt. Das „Why“ kann durchaus etwas dazu beitragen, eine Marke zu differenzieren. Aber nur, wenn diese Kernüberzeugung eine wirklich relevante und markenspezifische Beweisführung für die erbrachten Leistungen der Marke ist. Sie müsste also einen Mehrwert beim Erfüllen der Konsumentenbedürfnisse geben. Googles‘ Why „to organize the world’s information and make it universally accessible“ setzt genau bei dem Kundenbedürfnis an. Hier kaufen die Menschen in der Tat auch das Why. Im Gegensatz dazu ist Starbucks‘ Why „to inspire and nurture the human spirit – one person, one cup and one neighborhood at a time.“ so weit weg vom Bedürfnis, einen Kaffee zu trinken, dass man wohl eher sagen kann: Starbucks ist nicht wegen, sondern trotz des Whys erfolgreich.
Mythos 3: „Wir brauchen was Neues, nicht dass wir in den Wear-Out kommen.“
Wear-Out, also der Verschleiß von Kommunikation, ist eine echte Gefahr. Das größere Problem ist aber Wear-In. Dies beschreibt die Zeit, die es braucht, bis eine kreative Idee ihr volles Potential im Sinne der Werbewirkung entfaltet. Aufgrund der Sorge um weniger Werbewirkung nehmen Entscheider Kommunikation zu schnell Off-Air und starten etwas Neues. Und dadurch tritt genau das ein, wovor wir uns fürchten: weniger Wirkung. Doch woher kommt das? Meines Erachtens, weil Entscheider von sich auf den Konsumenten schließen. Markenverantwortliche sehen ein Stück Kommunikation so häufig selbst, bevor es noch nach draußen geht, dass sie glauben, der Konsument langweile sich beim Anschauen genauso wie sie selbst (nach dem gefühlten 1.000-mal). Dabei vergessen sie aber, dass der Konsument diese Kommunikation noch gar nicht so oft gesehen hat, bis wirklich die maximale Werbewirkung eintritt. Und das stimmt natürlich nicht nur für den einen Konsumenten, sondern vor allem in der breiten Masse.
Mythos 4: „Um Vertriebskanäle muss sich der Vertrieb kümmern.“
Wir leben leider noch immer in einer Welt der Silos. Eine Folge ist, dass Vertrieb und Marketing getrennt sind. Ein Fehler. Insbesondere dann, wenn es um Vertriebskanäle geht. Dummerweise auch noch vom Namen her leicht dem Vertrieb zuzuordnen. Der POS etwa sollte als wichtiges Marketinginstrument in den Marketingplänen berücksichtigt werden. Denn übergibt man dieses Thema an den Vertrieb, zählen plötzlich andere – aus Marketingsicht oft die ‚falschen‘ KPIs und Entscheidungskriterien. Doch anscheinend lassen wir uns vom Namen Vertriebskanal blenden und geben die Verantwortung in andere Hände. Gilt übrigens leider auch viel zu häufig für die Produktentwicklung und Preisgestaltung.
Mythos 5: „Die richtige Strategie für die Zukunft heißt Test & Learn.“
An sich ist es eine naheliegende Versuchung: Die Welt ist so sehr im Wandel, da kann man vermeintlich keine Strategie in Stein meißeln. Getrieben von einer stetigen Digitalisierung und dadurch einer stärkeren direkten Messbarkeit wird der Ruf immer lauter, dass Test & Learn die „Strategie“ der Zukunft ist. Agilität ist das Stichwort. Flexibilität und die Bereitschaft, Dinge in Frage zu stellen, ist heute populärer als jemals zuvor. Aber für das Testen von unterschiedlichen Exekutionen, nicht für die Strategie.
Am Ende sollten wir nämlich nicht versuchen, experimentell herauszufinden, wo die großen Herausforderungen der Marke liegen, um zukünftig erfolgreich zu sein. Wir sollten auch nicht testen, wer unsere Zielgruppe ist. Und wir sollten nicht testen, was die Kernbotschaften sind, um die Zielgruppen zu überzeugen. Denn Test & Learn auf Strategieebene nennt man nicht agil. Das nennt man kopflos.
Über die Autoren: Peter Kiefer istGeschäftsführer Marketing Consulting/Strategie bei PUNCH.
PUNCH soll CMOs dabei helfen, disziplinübergreifend zu erkennen, wo der Schlüssel für den Marketingerfolg des Unternehmens liegt.
Dieser Artikel erschien zuerst in bei Horizont.