Irrlicht oder Erfolgsgarant: Wie viel Marke verträgt Channel Planning?

Beim Channel Planning folgt einem simplen Prinzip: die richtigen Konsumenten entlang der Customer Journey mit den richtigen Kanälen und Botschaft ansprechen. Das macht Kommunikation effektiver. Doch welche Rolle spielt Marke und wie geht man am Besten vor?

Channel Planning ist eine Disziplin, die in unserer immer komplexer werdenden Werbe-Welt einen großen Beitrag zum Marken-Erfolg leistet. Doch sobald man sich als Kommunikationsstratege näher damit beschäftigt, stößt man auf ein Dilemma: Man hat im Rahmen des Channel Plannings die passenden Kanäle identifiziert, die am besten zur Zielerreichung beitragen. Man hat außerdem die Barrieren und Treiber in der Zielgruppe identifiziert, die es zu adressieren gilt, um Menschen effektiv durch den gesamten Kaufentscheidungsprozess zu treiben. Doch nirgends kann man die große (kreative) Idee oder zumindest die Marke und das Markenversprechen finden.

Man stellt sich zwangsläufig Fragen: Hätte das Ergebnis auch für alle anderen Marken der Kategorie (z.B. LEH, Premium-Automobil etc.) gleich ausgesehen? Wo ist da die Differenzierung? Will Channel Planning wirklich behaupten, dass die gleichen Kanäle mit den gleichen Botschaften zu bespielen sind, egal ob die Marke Lidl oder Aldi, Opel oder Fiat, Mercedes-Benz oder Audi heißt? Oder auf den Punkt gebracht: Welchen Einfluss hat denn nun die Marke auf das Channel Planning? Die Antwort ist dabei so einfach wie verstörend: keinen.

Und warum auch? Wenn man sich die zwei Hauptaufgaben des Channel Plannings genauer anschaut, wird dies deutlich.

Markenspezifische Kanalauswahl muss scheitern

Channel Planning versucht, wie der Name suggeriert, die richtigen Kanäle zu identifizieren, die einzusetzen sind, um die jeweilige Zielsetzung optimal zu erreichen.

Diese Identifikation kann nur anhand eines Kriteriums erfolgen: Welcher Kanal hat welche Superpower (beispielsweise Bewegtbild für Awareness und Image)? Für die finale Auswahl werden die möglichen Kanäle dann über das Mediennutzungsverhalten der Zielgruppe eingegrenzt.

Simpler ausgedrückt: Als Marke muss ich die Kanäle wählen, die den Job machen und die meine Zielgruppe nutzt – genau wie meine Mitbewerber. Denn als Marke kann ich mich weder gegen die Funktionsweisen von Medien noch gegen das Mediennutzungsverhalten der Konsumenten stellen. Ansonsten setze ich auf ein Pferd, das zwar besonders schön sein mag, aber nicht oder zu langsam ins Ziel kommt.

Irrweg: Kernbotschaften aus der Marke heraus

Byron Sharp zeigt in seinem Buch How Brands Grow: What Marketers Don’t Know den Zusammenhang zwischen der Belegung von möglichst vielen „category entry points“ und Marktanteilen. Er nennt es „mental availability“: Je mehr Need-States einer Kategorie der Konsument mit einer bestimmten Marke verbindet, desto höher ist der Marktanteil dieser Marke. Die Kernbotschaften müssen also vor allem kategoriespezifisch sein. Daher ist es wichtig zu verstehen, wie der Konsument in der Kategorie zu Entscheidungen kommt. Zugegeben: Hier könnten brandspezifische Treiber und Barrieren ins Spiel kommen, aber im Grunde läuft es in 99 Prozent der Fälle auf Kategoriethemen hinaus.

Procter & Gamble  beweist das seit Jahren: Procter & Gamble bedient in produktzentrischer Kommunikation wie kaum ein anderer Marketer „Category Codes“, spricht also vor allem Need-States der jeweiligen Kategorie an. Das führt zwar zu langweiliger, aber sehr erfolgreicher Kommunikation. Analog der Kanalauswahl, die sich an den Zielen, den Fähigkeiten eines Kanals und dem Mediennutzungsverhalten orientiert, so orientiert sich die Definition der Kernbotschaft auch nicht an der Marke, sondern an der Kategorie – man erzählt also das Gleiche wie der Mitbewerber. Da fragt man sich zu Recht: Kommt dann nicht nur generischer Mist dabei raus? Oder etwas netter ausgedrückt: Aber wo bleibt denn die Marke?

Kategoriespezifisch und markenspezifisch zugleich

Wie gesehen, kann die Lösung nicht heißen: Wir machen die Ableitungen im Channel Planning markenspezifisch. Mit einer Fußball-Analogie gesprochen: Es mag den Überzeugungen eines Teams (Marke) entsprechen, es sei besser, nur mit Stürmern zu spielen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dadurch das Spiel gewonnen wird, steigt aber wohl eher nicht.

Wie kann man also kategoriespezifisch und gleichzeitig differenzierend und markenspezifisch kommunizieren? Ein sinnvoller Weg könnte dieses Vorgehen sein:

  1. Plotten der kategoriespezifischen Customer Journey.
  2. Ableitung der Kommunikationszielsetzungen je Phase der Customer Journey aus den Business- und Marketing-Zielen.
  3. Untersuchung der Treiber und Barrieren je Phase der Customer Journey auf Basis von Kategorie-Verhalten und ggf. pro Kundensegment.
  4. Ergänzung von markenspezifischen Treibern und Barrieren je Phase.
  5. Definition der Kernbotschaft je Phase auf Basis von Treibern und Barrieren, um die gesetzten Ziele zu erreichen.
  6. Definition der Kanäle anhand von zu leistenden Aufgabenstellungen je Phase der Customer Journey.
  7. Reduktion der gewählten Kanäle anhand der Mediennutzung der Zielgruppe.
  8. Definition der zu bespielenden Formate innerhalb der Kanäle anhand der Aufgabenstellung.
  9. Herunterbrechen der Botschaften auf die jeweiligen Formate.

JETZT ist die Gelegenheit, das „Richtige“ in etwas Außergewöhnliches zu verwandeln.

JETZT kann man sich vom Wettbewerb abheben.

JETZT gilt es, dem toten Konstrukt Leben einzuhauchen.

JETZT kommt die Zeit, die Kraft der Marke zu entfalten.

Erst das Was und Wo, dann das Wie!

Hätten wir bis jetzt doch die gleichen, oder zumindest sehr ähnliche, Ergebnisse für alle Marken einer Kategorie erhalten, so können wir nun markenspezifisch werden. Und das müssen wir auch. Denn nur so können wir durchdringen und im Hirn der Konsumenten den berühmten „Klick“ auslösen.

Was wir nun brauchen, ist die Überführung der allgemeinen Kernbotschaften in markenspezifische Kommunikation. Also in markenspezifische Bildwelten und Tonalitäten sowie in markenspezifische USPs und Vorteile, die uns helfen, die Needs der Kategorie besser als andere Marken zu bedienen.

Wenn uns dies gelingt, dann haben wir einen echten Beitrag für den Erfolg einer Marke geliefert. Wir bedienen die notwendigen Need-States und erreichen dies in den passenden Kanälen. Aber wir machen es auf eine einzigartige Art und Weise. Wir tun es auf eine Art und Weise, die uns hilft, die Marke zu inszenieren. Die uns hilft, auf die Marke einzuzahlen, und die uns schlussendlich gegenüber dem Wettbewerb differenziert.

Oder um es einfach zusammenzufassen: Lasst das Channel Planning zuerst das Was und Wo bestimmen – das Wie kommt im Nachgang durch die jeweilige Marke.

Über die Autoren: Peter Kiefer und Johanna Schramm sind bei der neugegründeten Marketingberatung Punch aus dem Hause Grabarz & Partner tätig. Punch soll CMOs dabei helfen, disziplinübergreifend zu erkennen, wo der Schlüssel für den Marketingerfolg des Unternehmens liegt. Kiefer ist Geschäftsführer Marketing Consulting/Strategie und Schramm Senior Marketing Consultant/Strategie.

Dieser Artikel ist zuerst hier erschienen:
https://apgd.de/2017/12/10/irrlicht-oder-erfolgsgarant-wie-viel-marke-vertraegt-channel-planning/