Altbewährt, neu begehrt: So bleiben Traditionsmarken relevant.

Viele starke Traditionsmarken tun sich schwer damit, insbesondere bei jüngeren Zielgruppen relevant zu bleiben. Markenverjüngung klappt nur mit einem Spagat aus Tradition und Innovation. 

Was haben Adidas und Jägermeister gemeinsam? Im Gegensatz zu Karstadt oder Saab haben sie es geschafft, nicht nur eine starke Marke aufzubauen, sondern auch zu bleiben. Es ist ihnen gelungen, auch nach Jahrzehnten für neue, jüngere Kunden relevant zu sein und diese nicht an neue Marken im jeweiligen Markt zu verlieren. 

Starke Marken, die auch über einen langen Zeitraum sowohl ihre alten Kunden halten und immer wieder junge Zielgruppen neu für sich begeistern können, machen vor allem eine Sache richtig: Sie kümmern sich rechtzeitig um die Markenverjüngung. 

Das Dilemma: Konsistenz und Wandel ausbalancieren

Traditionsmarken – aus Ermangelung eines besseren Begriffs – werden von ihrer Kundschaft dafür geschätzt, dass sie sich kaum verändern. Keine Rezepturänderung, Verlässlichkeit im Auftritt und in den Werten, hohe Wiedererkennung. All dies gelingt, wenn man über Jahre konsistent seine Marke führt. Doch je älter Marken werden – und damit auch ihre Nutzenden – desto mehr brauchen sie irgendwann eine Verjüngung. Ein Dilemma. Denn um diese neuen Kunden zu gewinnen, müssen Marken nicht nur mit jüngeren Produkten und Marken konkurrieren – sie müssen auch ihre Relevanz unter Beweis stellen. Gerade bei jüngeren Zielgruppen mit einem veränderten Wertesystem. Die Traditionsmarken müssen sich also verändern. Ohne dabei angestammte Käufer zu verprellen.

Das Erfolgsprinzip: Frühzeitige Markenverjüngung statt späte 180-Grad-Drehung

Aber wie verjüngt man sich als Marke, ohne die eigene Identität zu verlieren? Markenverjüngung erfordert eine Balance zwischen Tradition und Innovation. Es geht nicht immer um radikale Veränderungen, sondern darum, den Kern der Marke zu bewahren, aber für eine neue Zielgruppe zeitgemäß neu zu interpretieren.

Manche sprechen einfach auf neuen Kanälen junge Zielgruppen an. Ein Versuch, der häufig so cringe ist wie Eltern, die Jugendsprache benutzen. Besser ist die Neuinterpretation des Markenkerns. Ein Beispiel, wie dies gut gelingen kann, ist die Transformation von Gucci. Alessandro Michele hat durch seinen drastischen Stilwechsel Guccis Kernwerte, nämlich Luxus und Extravaganz, erfolgreich für das 21. Jahrhundert neu interpretiert. Das Ergebnis? Gucci ist heute eine der angesagtesten Marken bei Millennials.

Eine erfolgreiche Neuerfindung gilt es nicht dem Zufall zu überlassen. Statt Experimenten braucht es ein klares Vorgehen. Dabei helfen nicht die x-te Trendpräsentation über die Gen Z, sondern folgende vier Schritte:

Den zeitlosen Markenkern (wieder) finden

Viele Marken sind aus einer Idee entstanden. Es lohnt sich daher, sich darauf zu besinnen. Was war die Idee der/des Gründer:in? Wie wurde die Marke erfolgreich? Welche Werte, Verhaltensweisen und Momente in der Vergangenheit präg(t)en die Marke? Chanel beispielsweise wurde aus der Idee heraus geboren, gegen Konventionen zu rebellieren. Etwa gegen Verhaltensnormen und -Vorgaben wie Korsetts oder dass Frauen statt Anzügen Kleider tragen müssen. Das “kleine Schwarze” war damals Rebellion. Heute geht Rebellion deutlich anders, wie es beispielsweise der Modedesigner Rick Owens mit seinem unkonventionellen, Gothic-, Grunge- und Glam-inspirierten Stil zeigt.

Marken-Zielgruppenfit definieren

Erst wenn klar ist, welche Kernwerte der Marke es in die neue Zeit zu tragen gilt, sollte man sich mit der Zielgruppe beschäftigen. Sowohl mit der bestehenden Käuferschaft und ihren Wahrnehmungen der Marke, als auch mit der jungen Zielgruppe und ihrer Wahrnehmung der Marke. Was “trennt” die jungen Zielgruppen von der Marke? Vielleicht teilen sie die Wahrnehmung der “Alten”, finden die Marke aber nicht attraktiv? Dann ist es Zeit, die Markenwerte neu zu interpretieren. Um beim Beispiel Chanel zu bleiben: Rebellion definiert jede Generation anders! 

Neuinterpretation oder Umpositionierung: BMW oder Jägermeister?

Stimmt der Fit zwischen Markenwerten und Zielgruppe, startet der wohl diffizilste Part in der Markenverjüngung. Die entscheidende Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Marke lautet: Muss der Marke lediglich etwas Neues dazu addiert werden? Oder gilt es den Markenkern zeitgemäß neu zu interpretieren? Braucht es also einen Jägermeister-Move – ergo radikale Verjüngung und Repositionierung auch auf die Gefahr hin, die bestehenden Käufer zu verlieren? Oder folgt man lieber BMW bei der Elektrifizierung und passt den Markenkern “Freude am Fahren” entsprechend neu an?

Das neue Bild nach außen tragen

Die Kommunikation der Veränderungen und Neuerungen kann über neue bzw. andere Kanäle als bisher erfolgen, am besten mit einer frischen, kreativen Umsetzung. 

Erfolgversprechender und schneller im Hinblick auf den zu vermittelnden Wandel sind jedoch Markenkooperationen: Indem Verantwortliche mit einer Marke kooperieren, die den neu interpretierten Markenwerten entspricht und bereits relevant in der jungen Zielgruppe ist, kommen sie schneller ans Ziel. Wie es funktioniert, zeigen Nike und Tiffany. Durch die Kooperation gelang es der Luxusschmuckmarke sich einen Coolness-Faktor hinzuzuaddieren, in einer Zielgruppe, die Tiffany eher als angestaubt und von Gestern wahrnahm. Der Preispunkt und die Limitierung sorgten dafür, dass der Markenkern gleichzeitig nicht verwässert, sondern nur modern dargestellt wurde.

Fest steht: Starke Marken aufbauen ist das Eine. Starke Marken bleiben das Andere. Aber wer seine Marke altern lässt, leistet aktive Sterbehilfe on the Job.