Luxus geht immer – billig aber auch
Edeka sorgte gerade für eine kleine Aufregung. Mit "In jedem Edeka steckt ein Discounter!" vollzieht die Supermarktmarke einen harten Kurswandel von Qualität zu Günstig. Mercedes-Benz dagegen besinnt sich aktuell auf den eigenen Luxuskern und plant, das Produktportfolio am unteren Ende auszudünnen.
Inwieweit beide Unternehmen den jeweiligen Kurswechsel erfolgreich beschreiten können und ob diese Kurse zur jeweiligen Marke passen, sei dahingestellt – die Zeit wird es zeigen. Dennoch sind sie Sinnbild für die aktuell einzig erfolgsversprechenden Strategien, die die vor uns liegenden Zeiten wirklich zulassen: Billig oder Luxus.
Marken buhlen inflationär um die Konsumenten
Wir merken es an der Tankstelle und beim Restaurantbesuch. Wir merken es, wenn wir ein Auto für den Urlaub mieten. Alles wird teurer. Denn wir haben eine so starke Inflation wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch wenn sich laut statistischem Bundesamt die Inflationsrate mit 7,6 Prozent im Juni im Vergleich zum Vormonat abgeschwächt hat, schauen Verbraucher:innen genauer hin, wofür sie Geld ausgeben. Marken müssen also mehr Überzeugungsarbeit leisten denn je, quasi um inflationär schrumpfende Geldbeutel buhlen. Eine eintretende Rezession würde diese Entwicklung durch ansteigende Arbeitslosenzahlen weiter verschärfen.
Der offensichtliche Weg: Billiger werden
Wenn Marken stärker um Konsument:innen kämpfen müssen, dann ist einer der naheliegendsten Hebel, der eingesetzt werden kann, der Preis. Im Fahrwasser der Finanzkrise 2008 zeigten dies Aldi und Lidl eindrucksvoll in UK. In kaum anderthalb Jahren konnten sich die beiden Discounter damals satte 13 Prozent Marktanteil erkämpfen – quasi aus dem Nichts. Und dies lediglich mit dem simplen Versprechen niedriger Preise bei guter Qualität.
Wenn Marken diese Strategie verfolgen wollen, dann gibt es zwei wichtige Dinge zu bedenken: Erstens müssen für jeden Prozentpunkt niedrigerer Preis etwa drei Prozent mehr Absatz her, um den gleichen Profit zu machen. Die Mehrverkäufe durch die günstigeren Preise schlagen sich also nicht zwangsläufig in einem höheren Profit nieder.
Zweitens ist eine dauerhafte Preisreduktion besser als "Aktionspreise", denn Aktionspreise sind in einer Rezession deutlich weniger effektiv, wie die Universität von Kalifornien herausfand. Der Hintergrund ist simpel: In Wachstumszeiten sind Konsumenten im Allgemeinen darauf aus, Dinge auszuprobieren. Und durch Aktionspreise macht man dies eher einmal. In schweren Zeiten hingegen sind Konsumenten auf Sicherheit aus und lassen sich deswegen auch nicht mit Aktionspreisen mal eben überzeugen.
Der nicht so offensichtliche Weg: Luxus und Premiumisierung als Erfolgsfaktor
Wer in schweren Zeiten nicht am Preis drehen möchte, wählt den Weg hin zum anderen Ende der Skala – und zwar gegen jedes Bauchgefühl und jede Intuition: eine Luxusstrategie. Erst kürzlich hat die Corona-Krise gezeigt: Der Absatzmarkt für Premium- und Luxusmarken verkleinert sich auch in Krisenzeiten nur wenig – auch wenn sich der Wettbewerb verschärft und die Preise insgesamt überall steigen. Denn Menschen mit hohem Einkommen leiden deutlich weniger unter Einkommenseinbußen als die mit niedrigem Einkommen. Unfair, aber wahr. Marken, die für diese Gruppe von Menschen spannend erscheinen, können dadurch auch in Krisenzeiten profitieren. Denn die Krise schlägt hier nicht so stark aus.
Premium- und Luxusmarken haben immer ein Ass im Ärmel: Sie können die psychologischen Bedürfnisse bestimmter Menschen nach Abgrenzung und Zugehörigkeit gleichzeitig bedienen, indem sie ihren Statusaspekt betonen. Dadurch können sich Verbraucher:innen – überspitzt gesagt – gegen "den gemeinen Pöbel" abgrenzen und gleichzeitig die Zugehörigkeit in ihrer Peer-Group manifestieren. Damit sind Premium- und Luxusmarken besonders erstrebenswert.
Zusätzlich zu einem stabileren Absatzmarkt und Status existiert noch ein weiterer, zwar banaler, aber doch wichtiger Grund, warum Premium- und Luxus auch in Krisenzeiten funktionieren: Sie geben Sicherheit. Denn der höhere Preis signalisiert Qualität. Und gleichzeitig wissen Konsument:innen, dass diese Art der Marken ihre Versprechen eher halten müssen als günstigere Konkurrenten. Damit glauben sie sich auf der sicheren Seite, eine gute Kaufentscheidung zu treffen. Das kann auch anziehend für Menschen sein, die sich Premium- und Luxusmarken nur ab und zu gönnen. Getreu dem Motto: "Wer billig kauft, kauft zweimal."
Natürlich birgt eine Luxusstrategie auch Risiken – eines ist das Downgrading. Dann greifen Konsument:innen zu einem vergleichbaren, aber günstigeren Produkt. Ein Beispiel für dieses Denkmuster: "Crémant ist Champagner, der sich nur nicht so nennen darf und kostet dafür deutlich weniger." Umso mehr sollten sich Premium- und Luxusmarken auf ihren Kern besinnen. Denn schaffen sie es, ihre Qualitätswahrnehmung und/oder ihr Symbol von Status aufrechtzuerhalten, immunisieren sie sich gegen das Downgrading.
Beide Strategien – Billig und Luxus – haben ihre Berechtigung in Krisenzeiten. Sie sind aus jeweils unterschiedlichen Gründen vielversprechend. Nur eine Sache geht aktuell gar nicht. Und das ist Unentschlossenheit. Denn in Krisen gibt es kein Bestes aus zwei Welten.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Horizont.